Es ist schon eine Weile her. Facebook war noch eine rein amerikanische Sache und diese VZ-Dingse wollte kein Erwachsener haben. Stayfriends war noch kein soziales Netz (und ist das auch heute noch nicht) und die ganzen WKWs und Karteileichen Lokalisten waren noch nicht online.
Da war ich begeistert, als Carola Heine ein Dings namens OpenBC gefunden hatte, eine Community für Leute, die trockene, aber freundliche Geschäftskontakte suchten.

Tatsächlich hatte ich in den ersten Jahren einige Kontakte dort gefunden, die auch zu Artikeln in c’t und Internet Magazin führten. Später wurde es in XING umbenannt, was dem Vernehmen nach auch mit der Internationalisierung zusammenhing.

Auch in meinem Hauptberuf bekam ich Angebote, allerdings keine, mit denen ich was anfangen konnte. Die XING-Mails von Headhuntern schmeichelten mir. Insbesondere, wenn sie dezidiert Bezug auf mein Profil nahmen. Allerdings nahm keiner Bezug drauf, dass ich nach vielen Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis im Öffentlichen Dienst vielleicht das eine oder andere Argument bräuchte, um mich mit z.B. freiberuflicher Projektarbeit anfreunden zu können.

Nicht nur Headhunter, auch Vertriebler von Softwarefirmen, die uns was verkaufen wollten, fanden mein Profil. Sie können mir eine XING-Mail schreiben, dachte ich, denn meine Kontaktdaten sind nur meinen Kontakten freigegeben. Meistens klappte das auch.

Besonders nervig war daher der Vertreter, der über die Firmenangabe in meinem Profil unsere Telefonzentrale anrief und mich verlangte – am ersten Tag eines dreiwöchigen Urlaubs, was die Telefonistin ihm natürlich nicht sagen durfte, weshalb er alle zwei Tage anrief und auf meinem Anrufbeantworter vor dem Auflegen noch jeweils einen Seufzer hinterließ.

Nicht nur, dass seine hochgelobte Software lediglich ungefähr das bot, wass ein Datenbankadministrator nach 12 Monaten im Job zum eigenen Schutz automatisiert hat, ich hielt die Art der Kontaktaufnahme für eine Grenzüberschreitung und war versucht, nach dem Anpfiff, den der Vertriebler kassierte, mich auch bei XING zu beschweren.

Aber ich fand XING gut und nutzte es damals wie heute, um schnell Infos über Mitbewerber und Dienstleister zu bekommen, mit denen wir es zu tun haben.

Jedoch sah ich, dass XING – da fehlt mir jetzt das Wort. XING ist ja kommerziell, also einer Kommerzialisierung zu unterstellen wäre missverständlich. Im Endeffekt lief es darauf hinaus: XING Ver-SPAMte. Immer mehr Angebote für Seminare, die ich bräuchte, um andere Seminare zu nehmen, wurden in der internen EMail beworben. Seminare, die ich hätte selber geben können. Immer mehr Coachings (die ich auch selber gebe) wurden angeboten und immer mehr Gruppen dem Gefühl nach nur noch gegründet, um die potenziellen Empfänger des eigenen SPAMs besser finden zu können.

Die schmeichelhaften Angebote der Headhunter schrumpften zu Mails, dass ich mich bitte bewerben solle, mein Profil sei interessant (Hallo? Drei Berufe sind da drin, welchen davon meint Ihr? Oder ist das etwa ein Serienbrief?).

Dann kam irgendwann die Pinwand dazu und die Frage, was ich meinen Kontakten mitteilen wolle.

Hallo, BusinessVZ.

Ich überlegte, wann ich die Funktionen von XING, die über das Anschauen eines Profils und der Kontakte hinausgehen, zuletzt genutzt hatte, und wusste es nicht mehr. Also hab ich die Premium-Mitgliedschaft gekündigt, bevor XING Bildergalerien einführt.

Ich seh es so, wie Kerstin Hoffmann es ausdrückt:

Was, nur mal am Rande, für mich mittlerweile ohnehin die Hauptfunktion von XING ist: Ich finde dort fast alle meine Geschäftspartner und auch mein erweitertes Netzwerk wieder, und wenn ich unterwegs mal schnell Kontaktdaten brauche, kann ich sie dort abrufen. In Gruppen schreibe ich immer weniger; und auch meine sonstigen Aktivitäten dort sind stark zurückgegangen.

Und zufällig kam dann direkt nach der problemlosen Kündigung die nächste Grenzüberschreitung.

Und zwar von einer Mitarbeiterin des weltweit führenden Rekrutierungsunternehmens für Spezialisten HAYS.

Die Mitarbeiterin fand mich auf XING.

Sie wollte mir anscheinend keine XING-Mail schreiben und nahm sowohl (!) meine private Mailadresse als auch meine private Telefonnummer aus dem Impressum dieses Blogs.

Und was steht da im Impressum?

Der Nutzung von im Rahmen der Impressumspflicht veröffentlichten Kontaktdaten durch Dritte zur Übersendung von nicht ausdrücklich angeforderter Werbung und Informationsmaterialien wird hiermit ausdrücklich widersprochen. Gleiches gilt für die Veröffentlichung in Registern und Verzeichnissen oder die Bekanntgabe an anderer Stelle. Die Betreiber der Seiten behalten sich ausdrücklich rechtliche Schritte im Falle des Verstoßes vor.

Kann ich es deutlicher sagen, dass ich keine Reklame will?
Nein.

Und solche Leute sind einer der vielen Gründe, meine Aktivitäten bei XING herunterzufahren, bis alle XINGler bei Google+ sind.

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