Und wir sehen, dass sich kaum etwas verändert hat in Sachen Spionage und NSA.

Wunderbar ausgesessen haben die meisten Amtsinhaber das Thema. Und das liegt an einer einfachen Sache: In der Sekunde, in der die erste Regierung einen Gemeindienst erschuf, um das Ausland auszuspionieren (das war, wenn ich es richtig im Kopf habe, im alten Ägypten), begann ein Wettlauf. Heute kriegen wir die Zahnpasta nicht mehr zurück in die Tube.

Zumindest mit „konventionellen“ Mitteln.

Geheimdienste agieren im Geheimen. Das ist auch wichtig, denn wenn sie es nicht täten, könnten die ausspionierten Staaten aus den Tätigkeitsberichten der Geheimdienste ableiten, wie sie sich schützen können. Damit Geheimdienste im Geheimen arbeiten, sind auch ihre finanziellen Mittel nicht komplett offen.

Ein unwiderlegbares Gerücht handelt von der „Organisation ODESSA„, einer geheimen Organisation ehemaliger SS-Angehöriger, die sich aus geheimen Finanzquellen speist und nach den krudesten Verschwörungstheorien angeblich noch heute aktiv ist. Vermutlich sind das alles nur Gerüchte – aber sind wir sicher? Die Stasi arbeitete auch nach dem Zusammenbruch der DDR weiter.

Fakt ist nämlich, dass jedes Land Geheimdienste hat, die im Fall der feindlichen Übernahme Besetzung des Landes in Form einer „fünften Kolonne“ weiter handlungsfähig sind. Die Wiederherstellung der „alten“ Staatsordnung ist ihr Auftrag. Dafür haben sie Waffen und anderes Material an entsprechenden Stellen deponiert und ausreichend finanzielle Mittel in ausländischen Währungen zur Verfügung.

Was ebenfalls eine Wahrheit ist: Die Posten in der Führungsetage der Geheimdienste sind politische Posten. Diese werden durch Politiker in den Regierungen vergeben, was bei einem Regierungswechsel zur absurden Situation führt, dass der Chef des Geheimdienstes einem seiner politischen Gegner untersteht.

Spätestens seit Watergate ist jedem klar, dass Politiker nicht nur gerne wüssten, was andere Staaten ihnen nicht freiwillig erzählen, sondern das gleiche gerne von ihren politischen Gegnern wüssten. Besonders intime Details über die Gegner, die diese diskredittieren könnten, sind da gerne gesehen.

Geheimdienste entwickeln nahezu zwangsläufig ein Eigenleben. Selbst die parlamentarische Kontrolle, der sie unterliegen, hilft nicht, denn sie ist nur ein Feigenblatt. Parlamentarier in den Kontrollgremien wechseln in jeder Legislatur, die Geheimdienste bleiben. Jeder Mitwisser ist ein Risiko, selbst, wenn er dem Dienst nicht böse gesonnen ist. Er kann ja noch Jahre nach seiner Tätigkeit im Kontrollgremium vom Gegner erpresst werden und Details preis geben.

Die exakten finanziellen Mittel und die kompletten Tätigkeitsberichte kennt daher faktisch niemand, der nicht selber in diesem Dienst arbeitet.

Einen Geheimdienst kann man daher nicht einfahc so auflösen. Er hat für den Fall des Staatsstreichs oder der Besatzung des Landes Mechanismen, die sein Überleben garantieren, und das tun sie nur, wenn sie auch den eigenen Regierungen nie bis ins Letzte bekannt sind.

Dann kam vor einem Jahr Edward Snowden und erinnerte uns an die neugierigen Dienste und wie wohlfeil die Spuren, die wir im Internet hinterlassen, für sie sind. Und die Regierungen suchten einen Teppich, der groß genug ist, um alles drunter zu kehren.

Aber warum hat die Bundesregierung offenbar kein Interesse daran, uns Bundesbürger vor Ausspähung durch „Dienste“ zu schützen?

Auch das liegt am Eigenleben, das geheime Dienste entwickeln. Sie agieren im Ausland entgegen den dortigen Gesetzen, was anscheinend die Gesetzestreue im Inland in Mitleidenschaft zieht. Während der BND am Vortäuschen eines internationalen Plutoniumschmuggels zwecks Erschließung neuer Aufgabengebiete scheiterte, betätigt sich die CIA „politisch“:

Chairman Dianne Feinstein (D-Calif.) accused the CIA of ­secretly removing documents, searching computers used by the committee and attempting to intimidate congressional investigators by requesting an FBI inquiry of their conduct — charges that CIA Director John Brennan disputed within hours of her appearance on the Senate floor.

Vorsitzende (des Geheimdienstausschusses des US-Senats, d.Verf.) Dianne Feinstein (Demokraten, California) beschuldigte die CIA, heimlich Dokumente entfernt, Computer von Ausschussmitgliedern durchsucht und Ermittler des Senats eingeschüchtert zu kamen, indem sie eine FBI-Untersuchung unter ihrer Leitung angefordert haben – Vorwürfe, denen CIA-Direktor John Brennan schon nach wenigen Stunden widersprach.

(Quelle, Hier Bericht der Tagesschau)

In diesem Fall ging es darum, dass Feinstein im Ausschuss die Folter Verhörmethoden in Guatanamo untersucht hatte – Verhörmethoden der CIA. Die CIA hat sich hier selbst zu schützen versucht, indem sie versuchte, die Bearbeitung der entsprechenden Unterlagen mit Hilfe des FBI zu kriminalisieren.

Fällt der Groschen? War da nicht das Rechtsgutachten dieser US-Kanzlei, nach dem Abgeordnete des Bundestages sich bei Anhörung von Edward Snowden und Einsicht in seine Dokumente in den USA Strafverfolgung aussetzen könnten?

Regierungen haben daher im Normalfall kein Interesse daran, ihre eigenen Geheimdienste aufzulösen. Einmal brauchen sie deren Informationen, zum anderen ist es gar nicht möglich, die Auflösung eines Geheimdienstes seriös und endgültig durchzusetzen. Was daran liegt, dass jeder Geheimdienst so konzipiert ist, dass er selbst von einer fremden Macht nicht aufgelöst werden kann. (Ich wiederhole das gerade penetrant, damit es hängen bleibt.)

Innerhalb eines Netzwerkes befreundeter Staaten wie der NATO oder der EU können Geheimdienste nichtmal dazu genutzt werden, die Bevölkerung vor dem Ausgespähtwerden durch befreundete Dienste zu schützen. Denn der Selbstschutz der Dienste macht sie auf das neugierig, was im Inland geschieht. Das um so mehr, seit der „Feind“ nicht mehr jenseits der Demarkationslinie im Osten sitzt, sondern von Terroristen im Inland rekrutiert wird.

Der BND darf aber im Inland nicht abhören. Wie konnte der BND also von der Sauerland-Gruppe wissen?

Im Oktober 2006 leitete der amerikanische Abhörgeheimdienst NSA Erkenntnisse über intensiven Mailverkehr zwischen Deutschland und Pakistan über den Auslandsnachrichtendienst CIA an den deutschen BND weiter, der wiederum das Bundesamt für Verfassungsschutz einschaltete. Zuständig wurde schließlich das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum. In Berlin wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet, in der deutsche Geheimdienstler und amerikanische CIA-Mitarbeiter „so eng wie nie“ zusammenarbeiteten. Unter dem Namen „Operation Alberich“ überwachten 500 Beamte rund um die Uhr alle Verdächtigen, hörten Telefone ab und verwanzten Wohnungen und PKW.

Ob die NSA dem BND etwas mitgeteilt hat, ob der BND selber die NSA-Daten mit Bezug auf Deutschland auswerten darf oder ob der BND alles selber entdeckt hat und halt eine Hand die andere wäscht, das werden wir vermutlich nie erfahren.

Warum in Griesheim einfach so eine NSA-Anlage steht, deren Zweck nur das Spionieren in Deutschland sein kann, ist aber klar: Der BND und andere „unserer“ Dienste profitieren von den Ergebnissen der NSA.

Etwas bissig gesagt ist die NSA der exterritoriale Dienstleister, der für die deutschen Geheimdienste die Vorratsdatenspeicherung durchführt.

Das gleiche Problem haben NSA und CIA – auch sie dürfen nunmal keine US-Bürger ausspähen und braucht Informationen von befreundeten Diensten wie der GHCQ oder dem BND. Und selbst, wenn sie all die Informationen heimlich selber abgehört hat, brauchen sie befreundete Dienste, die sie als Tippgeber vorschieben können.

Dagegen hilft auch keine parlamentarische Kontrolle – siehe oben. Die Kontrollgremien bekommen nie alle Informationen.

Jetzt ist auch klar, warum unsere Regierung zu Derailing neigt: Problematisieren wir die NSA-Affaire, wird von strengeren Datenschutzregeln geredet. Fordern wir Maßnahmen gegen das Ausgespähtwerden, wird auf Facebook und Google geschlagen.

Aber es ist doch so: Datenschutz wird durch Gesetze der Länder geregelt. Auch in der EU. Und Gesetze der ausspionierten Länder müssen von Geheimdiensten per se gebrochen werden. Gegen die NSA mit Datenschutzregeln vorgehen zu wollen ist so, als ob man sich gegen radioaktiven Fallout eine Papiertüte über den Kopf zieht.

Solange es keinen Fallout gibt, ist die bereitliegende Papiertüte ein beruhigender Placebo. In unserem Fall ist der Fallout aber da – und wir merken inzwischen, dass sie gar nicht schützen kann.

Zwar würden diese Regeln möglicherweise gegen Google oder Facebook wirksam werden, aber die sind nicht das Problem. Facebook für das Datensammeln zu kritisieren, weil der Datenbestand bei der NSA Begehrlichkeiten weckt, ist so, als ob wir Juweliere kritisieren, teuren Schmuck zu verkaufen, weil er die Käufer in Gefahr bringt, von Räubern überfallen zu werden.

In Russland gibt es die Metapher „Steine ins Gebüsch werfen“ für dieses Verhalten: Um von uns selbst abzulenken werfen wir Steine nach Links und Rechts, um dort Geräusche zu verursachen.

Genau das machen Angela Merkel und ungefähr alle Regierungsmitglieder: Sie wollen den Focus von sich selber weg lenken. Erst durch Ignorieren, dann durch Leugnen, jetzt durch Derailing.

Weil die internationalen Verflechtungen der Dienste zu stark ist und weil sie sich längst unkontrollierbar geworden sind.

Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus?

Keine Ahnung, aber unter Frau Merkel wohl nicht.

 

Kategorien: Allgemein

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9 Jahre zuvor

Wenn es so extrem ist, wie du suggerierst, dass die Dienste der Regierung eigentlich voraus und überlegen sind, kommen wir da logischerweise unter der Regierung keiner Partei raus. Wenn es so extrem ist, wie du suggerierst, dass sie sich eingegraben haben um Angriffe auf den Dienst zu überleben wie die Kakerlaken einen Atomkrieg, kommen wir da logischerweise nicht mal mit einer Revolution raus. Sondern, wenn es so ist, gar nicht. Wer so weit denkt, muss auch zu Ende denken. Und nu? Weiß ich natürlich so wenig wie du.