Wolfgang Michal hat auf Carta.info ein Steinchen ins Rollen gebracht. Er fordert, eine Lanze gegen den Missbrauch des Abmahnwesens zu brechen. Im Grunde hat er ja Recht.
So hab ich auch heftig genickt, als ich den Beitrag las. Nur danach fielen mir einige aus meinen eigenen Recherchen bekannte Webseiten ein, die genau das schon tun: Eine Lanze gegen Abmahnungsmissbrauch zu brechen.
Abmahnungen an sich sind nicht böse. Vom Grundgedanken her sollen sie sogar – insbesondere im Geschäftsverkehr – teure und langwierige Gerichtsverfahren überflüssig machen. In der Praxis werden Abmahnungen jedoch gerne missbraucht, um (vermeindliche) Konkurrenten aus der Kurve zu werfen oder kritische Berichte über die eigenen Tätigkeiten zu unterbinden.
Abmahnungen sollten ursprünglich dazu dienen, Gerichte von Streitigkeiten zwischen Gewerbetreibenden zu entlasten. Zwei Kontrahenten treffen sich, kommunizieren und stellen fest, dass einer von beiden sich falsch verhalten und dem andern Schaden zugefügt hat. Ein Vertrag wird geschlossen, der beiden Rechtssicherheit bringt: Du schädigst mich nicht mehr und ich verklage dich nicht für die bisherigen Schäden.
Durch die fallenden Grenzen zwischen Publizist und Publikum, zwischen Gewerbetreibendem und Verbraucher kommen auch absurde Formen der Abmahnung zum Vorschein. Grob gesehen kann man sie in folgende Kategorien einteilen:

  • David ./. Goliath
    Eine große Firma mahnt kleine Händler oder Produzenten ab. Die große Firma kann dabei verschiedene Intentionen haben. Jack Wolfskin wollte beispielsweise gegen vermeindliche Kopien seines Markenzeichens angehen. Damit schaffte der Outdoor-Spezialist es bis in den SPIEGEL – und merkte dann, wie sinnlos und unpopulär diese Maßnahme doch ist.
    Bei den T-Shirts von „Ed Hardy“ schien es eher um eine Marktbereinigung zu gehen. Gerechtfertigt finde ich das Abmahnen bei gewerbsmäßigem Vertrieb von Plagiaten schon, aber wenn auch der Vertrieb von „Originalen“ abgemahnt wird, die in Deutschland z.T. nur noch nicht in den Läden hängen, handelt es sich eher um „Sortimentshygiene“. Im Zeitalter der Globalisierung die Märkte lokal unterscheiden zu wollen ist schon denkwürdig.
  • Raubkopien
    Abmahnungen wegen Raubkopien sind seit Mitte der 1990er an der Tagesordnung. Im Prinzip ist es ok, so vorzugehen, wenn die vorgeworfene Tat das gebietet. Jugendlichen, die mal eine Hand voll MP3 per P2P-Tauschbörse getauscht haben und denen man mangels „Taten“ nichts anderes vorwerfen kann, werden aber genauso abgemahnt, wie große, wirklich geschäftsmäßig arbeitende Plagiateure. Das ist nicht angemessen, und trotz der inzwischen gesetzlich verfügten Höchstsumme für die Abmahnung von 100 EUR bei kleinen, nicht gewerbsmäßigen „Ersttätern“ versuchen die Rechteinhaber nach wie vor mit absurden Berechnungen, aus jedem heruntergeladenen MP3 ein Schwerverbrechen zu konstruieren.
  • Meinungsäußerung
    Das kommt in letzter Zeit immer häufiger vor und war auch Wolfgang Michals Aufhänger. Egal, ob BILDBlog, Spreeblick, die Ruhrbarone – wer auch immer bloggt oder twittert oder auf eine andere Weise im Internet seine Meinung äußert kann abgemahnt oder gar mit einer „Einstweiligen“ beglückt werden.

Eine solche Abmahnung kann alle Blogger, die mehr als aktuelle Zustandsmeldungen und Wetterberichte schreiben, treffen. Auch ich schaue nach mancher Veröffentlichung sehr genau in die Serverlogs und mein Adrenalinspiegel steigt, wenn ich beispielsweise Zugriffe auf kritische Beiträge finde, die den Beitrag über einschlägige Google-Suchbegriffe gefunden haben und danach zu gezielten Zugriffen auf das Impressum führen.
Also ist Vernetzung angesagt, um die Risiken durch Kampfabmahnungen zur Unterdrückung böser Meinungen zu minimieren. Und da muss ich Wolfgang Michal bitten, mal etwas zu googeln: Es gibt

Was wir brauchen, ist also keine Lanze gegen die Abmahnungsindustrie, sondern höchstens eine Art „Einsatzleitstelle“. Aber bitte kein Lostreten von alten Diskussionen, die vor 10 Jahren schon von gestern waren.