Auf D-64.Org schreibt Mathias Richel einige sehr kluge Sachen und behauptet: Das Urheberrecht ist (nicht) das Problem.
Und er hat Recht.
Ich halte es für selbstverständlich, dass der Urheber eines „Werkes“, also eines Liedes, eines Gemäldes, einer Fotografie oder eines Gedichts oder Romans, zunächst alle Rechte daran hat. Diese Rechte schließen das Recht ein, das Werk zu veröffentlichen – oder es nicht zu tun, es zu verkaufen – oder zu verschenken.
Die meisten Werke, die im Zusammenhang mit dem Internet problematisiert werden, können reproduziert werden. Fotos, Musikstücke, Texte, Filme, all diese Werke sind digital erfassbar und speicherbar.
Wer ein solches Werk veröffentlicht, wird das über Reproduktionen, Vervielfältigungsstücke machen: Das Buch, die CD, die Filmkopie im Kino oder auf DVD. Diese Reproduktionen kosten seit der Erfindung des Buchdrucks Geld, das der Urheber meist nicht besitzt.
Daher suchte er sich Vertragspartner, die ihm das Geld vorlegten. So entstanden nach einer kleinen Lautverschiebung die Verlage.
Heute sind die Verlagsverträge, die Urheber untschreiben müssen, damit ihre Werke verlegt werden, mitunter kiloschwere Wälzer. Das Urhebergesetz regelt, welche Nutzungsrechte Urheber den Verlagen einräumen können – das dient dem Schutz der Urheber, denn es verbietet zum Beispiel, dass auch die Nutzung eines Werkes in einer Form, die zum Vertragsschluss noch nicht existierte, nicht pauschal erlaubt werden darf, und dass der Urheber bei überraschend hohen Einnahmen durch ein Buch (z.B. beim Verkauf der Filmrechte für einen überraschenden Bestseller) durchaus nachverhandeln und eine angemessene Beteiligung erwarten kann.
Mathias Richel schreibt ganz richtig:

Die Kulturschaffenden hatten zwar damals wie heute formal die Urheberrechte, in der Praxis aber sorgten Marktmacht der großen Verwerter und der Winner-take-all-Charakter der Kulturindustrie dafür, dass die große Mehrheit wenig bis gar nichts an ihren Urheberrechten verdiente. Brotlose Kunst kommt nicht von ungefähr. Nur wenige Glückliche konnten von ihrer Kunst leben und eine winzige prominente Minderheit hatte die Verhandlungsmacht für ein wirklich gutes Einkommen.

Das hat sich teilweise geändert. Über das Internet kann jeder in Windeseile Texte, Fotos und Musik verbreiten, er benötigt lediglich einen PC mit Internetzugang. Wer sich das Layout eines Buches selber zutraut oder ein paar Euro in die Hand nimmt, kann für unter 1000€ über Book-on-Demand-Dienste selber Texte in Holzform publizieren.
Das gleiche gilt für Mashups, also die Nutzung von Werken anderer Urheber, um daraus oder mit ihrer Hilfe eigene Werke zu schaffen. Im Film kennt man das als „Zitat“ und der Film „Tote tragen keine Karos“ mit Steve Martin besteht aus etlichen Schnipseln alter Humphrey-Bogard-Filme.
Die heutigen Mashups zu machen ist nichts Neues, es ist etwas, das in der Kunst gang und Gäbe ist. Jedoch kämpfen die Verlage dagegen an, dass die von ihnen „gekauften“ Lieder unter Videos gelegt oder neu gemixt werden. Sie kämpfen gegen winzigste Schnipsel aus ihren Filmen, die remixed wurden.
Und das ist oft gerade nicht im Sinne der Künster.
Kunst lebt von der Reflexion. 1990 wollte der Musikverlag A&M Records gegen den auf Platte veröffentlichten Remix des Songs Tom’s Diner von Suzanne Vega vorgehen. Suzanne Vega selber setzte sich dafür ein, dass dieser Remix veröffentlicht wurde, es gab sogar kurz darauf einen Remix-Wettbewerb um den Song.
In den frühen 1970ern trat im Danny’s Pan in Hamburg ein junger Künstler namens Mike Krüger auf. Er parodierte live vor Publikum Songs aus den Charts, die man damals noch Hitparade nannte, und machte aus „Mendocino“ einen Song namens „Hamburg Olsdorf“, „Angie“ wurde zu „Gehn Sie!“. Damals wurde er berühmt. Heute würde er seine Parodien bei Youtube hochladen und über Kurz oder Lang verklagt.
Sicherlich sind Tauschbörsen, in denen „Raubkopien“ verbreitet werden, illegal und inakzeptabel. Die Abmahnindustrie, die sich seit den 1990ern etabliert hat, ist aber keinen Deut akzeptabler und verursacht bei einzelnen Menschen, die in ihre Mühlen geraten, mehr Schaden, als die einzelnen Raubkopien anzurichten vermögen.

Ganz daneben ist es aber, wenn die Verlage die kreative Auseinandersetzung mit anderen Werken zu unterbinden. Dazu halte ich einzig die Urheber, die Künstler selber, für befugt.

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