Ich hatte ja neulich schon u.a. Sascha Lobos Rant auf uns „Netzbürger“ reflektiert. Eine spontan ins Unreine gekritzelte Idee zur Einflußnahme auf die Politik will ich jetzt mal vertiefen.

Ich war lange in der Tierrechtsbewegung aktiv und einige Jahre auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Tierrechte der NRW-Grünen. Dabei war ein Thema, mit dem ich mich befasst habe, die Jagd.

Meine These: Die Jägerei hat seit JAhrzehnten die effizienteste Lobby von allen.

Das geht ziemlich einfach. Jäger sind nicht hauptberuflich Jäger, auch, wenn es als Beruf angesehen wird. Es ist ein Hobby.

Ein Hobby, das im Laufe der Zeit sehr interessante Gesetze geschaffen hat. So ist ganz Deutschland in Jagdreviere eingeteilt. Nach den gesetzlichen Regelungen (allerdings in ständigem Rechtsstreit) müssen alle Grundbesitzer außerhalb von geschlossenen Ortschaften, deren Grundstücke nicht groß genug sind, um eine Eigenjagd darzustellen, das Jagdrecht verpachten. Sie haben keine Wahl.

So ein Gesetz widerspricht natürlich der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Wie konnte es zu dieser und anderen jägerfreundlichen Regelungen kommen?

Jäger haben ja neben ihrem lodengrünen Hobby noch einen Hauptberuf. Viele Jäger sind beispielsweise Landwirte, was nahe liegt, da ihnen ja Land gehört und sie auch was gegen Wildverbiss tun wollen.

Weiterhin sind unter den Jägern Menschen aus allen, aber insbesondere den bessergestellten gesellschaftlichen Gruppen. Und aus all diesen Gruppen (einschließlich der Landwirte) sind Menschen Parteimitglieder, engagieren sich in der Partei und arbeiten politisch.

Wenn bei einem Strafermittlungsverfahren Jagdkenntnisse erforderlich sind, wird bei den Staatsanwaltschften – sofern vorhanden – ein Staatsanwalt mit der Ermittlung beauftragt, der selber Jäger ist. Die Untere Jagdbehörde, also da, wo konkret Reviere verteilt werden und so weiter, ist mit Jägern besetzt.

Um Korruption zu vermeiden, darf natürlich in der Jagdaufsicht des Kreises Viersen kein Jäger aus der Kreisjägerschaft Viersen arbeiten, aber einer aus der benachbarten Kreisjägerschaft Kleve schon. <ironie>Daher ist es auch ganz einfach, unzulässige Fallen oder Fütterungsstellen durch die Behörde beseitigen zu lassen</ironie>

Das zieht sich durch bis in die obersten Ebenen. Der Landwirtschaftsausschuss Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Landtag von NRW ist derzeit mit über 50 Personen besetzt (incl. Vertretern). Shon der Vorsitzende, Friedhelm Ortgies, steht der Jagd so positiv gegenüber, dass ich annehme, dass es ein Jäger ist oder er aus einer Jagdfamilie stammt.

Ebenso ist der Sprecher Rainer Deppe recht unverhohlen für die Jagd und verkehrt sicher mit jagdlichem Vokabular auf der Messe Jagd & Hund in Dortmund. FDP-Mitglied Ulrich Alda ist sogar offen Mitglied in der Kreisjägerschaft und dem Hegering der Stadt Hagen. Hubertus Fehring von der CDU nimmt an der (Vorsicht, unbeabsichtigter Wortwitz) Hubertusmesse teil und und ruft zur Unterstützung der Jäger auf. Fehring ist gelernter Landwirtschaftsmeister und es liegt auf der Hand, dass er, wenn er nicht selber eine Jagderlaubnis hat, in diesen Kreisen verkehrt.

Wir sehen aus dieser grob gegoogleten Zusammenstellung: Viele Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses stehen der Jagd auffallend nah. Ebenso nah wie der ehemalige Jagdreferent des zuständigen Ministeriums. In der vorletzten rot-grünen Regierung war Bärbel Höhn dort Ministerin und Heimo van Elsbergen ihr Jagdreferent. Van Elsbergen war tatsächlich der dienstälteste Jagdreferent Deutschlands.

Natürlich hatte er kein Amt im örtlichen Jagdverband, das wäre dann ja unsauber. Aber er war Präsident des Deutschen Bracken Club. Die Bracke ist ein ausgewiesener Jagdhund. Und zu einen Eintrag im Deutschen Jagd-Lexikon hat van Elsbergen es auch gebracht.

Natürlich hatte er eine Jagderlaubnis und natürlich war er Jäger, und natürlich kann niemand behaupten, er hätte auf seiner exponierten Position keine unterschwellige Lobbyarbeit geleistet.

Super Sache, was? So eine Lobby brauchen wir auch. Was müssen wir tun?

  • Wir müssen uns besser politisch organisieren, indem wir zum Beispiel in CCC und Freifunk einen politschen Layer einfügen
  • Wir müssen aus der Nerd-Ecke rauskommen, damit die Digital-Tv-Gucker da draußen merken, dass auch sie inzwischen in der „Netzgemeinde“ leben.
  • Wir müssen uns relevanten Parteien anschließen und nicht die 856. Spartenpartei gründen.

Die Grauen Panther sind in keinem Parlament vertreten, obwohl sie zur Wahl stehen, Jäger sind aber in jedem Parlament und in den passenden Fachausschüssen zudem, weil sie in allen Parteien vertreten sind.

Die Netzgemeinde, wir, sind mehr als die 300.000 Jagdscheininhaber in Deutschland. Es gibt aber alleine 540.000 aktive Twitterer in Deutschland.

Warum sollte uns eine solche „intrinsische Lobby“ nicht gelingen?

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