Warum Twitter kein Safe Space war, keiner ist und nie einer sein wird. Wie der Rest der Welt.

Es geht um das Bild von einem Sarg, mit Blumen dekoriert, vor einem Altar. Die Beisetzung eines Internetmenschen, den wir vermutlich alle Vermissen: Tobias Schramm alias Schlenzalot.

Tod ist ein sehr intimes und persönliches Thema, ich denke, dass jeder damit anders umgeht. So sah ich sowohl krasse Ablehnung als auch Zustimmung, als Sascha Lobo das Bild auf Twitter postete. Selber fand ich es geschmackvoll und so, wie ich Tobias in den wenigen Bruchteilen von Momenten, die wir persönlich Kontakt hatten, einschätze, hätte er es auch schön gefunden und nichts gegen die Verbreitung gesagt.

Bloß:

Ich kann mich da irren.

Für andere könnte das Thema Traumata oder Ängste wieder ans Licht bringen.

Wieder andere sehen das religiös und auch da gibt es wieder unterschiedliche Sichtweisen zu Bildaufnahmen im Allgemeinen und in der Kirche im Besonderen alleine in den christlichen Konfessionen.

Bettina Hammer (Twister) hat die Problematik des Safe Spaces, der die Idealversion der Welt wäre, mal auf den Punkt gebracht. Fazit: Es ist schwierig. Alleine das von ihr zitierte Gericht

„Spanische Hühnerleber in Rotweinsauce mit Zwiebeln und Oliven, verfeinert mit Sahne und Cashewnuss“

wäre für Antialkoholiker, Vegetarier, Veganer, Nussallergiker, Menschen, die sich vor Innereien ekeln, Menschen mit Laktoseintoleranz und Menschen, die partout keine Oliven ausstehen können, ein Problem. Ich hab in meinem Leben mehrere Menschen kennen gelernt, die aus jeweils einem der genannten Gründen am liebsten vom Tisch aufgestanden wären.

Das Buffetbeispiel soll dazu dienen, die Idee der „Safe Spaces“ auf eine andere Seite des Lebens, nämlich die kulinarische, zu übertragen. „Safe Spaces“ sind Orte, in denen bestimmte Restriktionen akzeptiert werden. um diejenigen, die sich an diesen Orten befinden, zu schützen.

Bei den möglichen Triggern, denen wir in der weiten Welt ausgesetzt sind, kommen unterschiedliche und widersprüchlichen Dinge zusammen. Einige davon sind mittlerweile als gesellschaftliche Übereinkunft zum No Go geworden (das „N-Wort“ zum Beispiel). Bei anderen ist es kompliziert.

In vielen Kreisen ist es zwar nicht üblich, aber auch kein „Trigger“, wenn Polizeibeamte als Bullen bezeichnet werden. Polizeibeamte sehen das anders und erstatten, weil sie durch den Vergleich mit dem Tier beleidigt sind, schonmal Anzeige.

In Tierrechtlerkreisen ist „Bulle“ als Bezeichnung für den Polizeibeamten ein Trigger, da es den Bullen beleidigt, wenn man irgendwelche ihm zugerechnete Attribute als Beleidigung für einen Polizeibeamten nutzt. Das gleiche gilt für die abwertenden Bezeichnungen „Schwein“, „Ratte“ etc. Polizisten werden daher als Cops bezeichnet.

Aber auch aus Tierrechtlerkreisen werden Trigger bedient. Veganismus schließt den Verzehr von Eiern aus. In manchem Infomaterial werden Eier als „Hühnermenstruationsprodukte“ bezeichnet. Da wird der – gesellschaftlich akzeptierte – Ekel vor Menstruation (ja, der ist real, schaut nur mal die Reklame für Binden und Tampons an) genutzt, um Menschen den Appetit auf Eier zu verderben.

Außerhalb der Tierrechtsszene nennt man das (Überraschung!) Sexismus.

Wie mag ein Safe Space für feministische TierrechtlerInnen mit Handicap aussehen? Was wenn Trans-Personen dabei sind? Die „universellen“ Safe Spaces, die beispielsweise an Hochschulen derzeit eingerichtet werden? Wie bekommt man bei persönlichen Begegnungen in einem Safe Space heraus, was die Trigger des Gegenüber sind, ohne danach zu fragen – und dadurch möglicherweise zu triggern?

Hinter dem Wunsch, dass keinerlei negative Schlüsselreize mehr um einen herum zu sehen, fühlen, riechen, schmecken, hören sind, steht der Wunsch, dass sich die Welt (dem eigenen Erlebten) unterordnet und nur noch in positiver Weise existiert.

Man kann versuchen, die Gesellschaft zu verändern, und Trigger zu gesellschaftlich anerkannten No Gos machen (wie das „N-Wort“). Wenn ich einen Menschen als „Spasti“ bezeichne, ist das weitgehend anerkannter Ableismus. Wenn ich ihn frage, ob er mich gehört hat oder taub ist, ist das weitgehend noch normal. Daran können wir arbeiten, indem wir erklären und überzeugen und nicht genervt nörgeln, dass wir das alles schonmal erklärt haben und Menschen, die nicht fragen, „der Feind“ sind.

Man kann sich in Kreisen bewegen, die die eigenen Trigger akzeptieren, aber außerhalb dieser Kreise funktioniert das nicht. Schon, weil manche Trigger einander widersprechen.

tl;dr: Wir können es schon in einem Safe Space nie allen recht machen. In der realen Welt (wie Twitter) müssen wir mit Triggern leben.

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