Im Moment gehen mal wieder kleinere Shitstorms und Petitionen um – wegen des Schächtens. Wenn man mal hinter die Kulissen schaut, sind die Urheber altbekannte rechte Hetzseiten.

Vor ein paar Jahren ging die Forderung „Todesstrafe für Kinderschänder“ durch die Social Media. Obwohl auch ich beispielsweise im Fall Mirco affektbehaftet an „Kopf ab“ dachte, ist die Todesstrafe natürlich keine Lösung.

Eine Analyse, warum diese Forderung ausgerechnet von der NPD ausgesprochen wurde, hat Netz gegen Nazis veröffentlicht. Grob gesagt geht es darum, etwas zu fordern, das nicht duchgesetzt wird (beispielsweise, weil die Verfassung es verbietet), aber emotional behaftet ist und geeignet, den Staat als unfähig hin zu stellen, wenn man das alles vergisst.

Die gleiche Vereinnahmung eines emotionalen Themas durch rechte Hetze findet gerade wieder statt.

Als ich in der Tierrechtsszene aktiv war, kam alljährlich zum Opferfest das Thema Schächten auf die Tagesordnung.

Das Islamische Opferfest dient dem Gedenken an den Religionsstifter Abraham, auf den Judentum, Christentum und und Islam, die drei Abrahamitischen Religionen, zurück gehen.

Beim Opferfest wird des Propheten Ibrahim (Abraham) gedacht, der nach muslimischer Überlieferung die göttliche Probe bestanden hatte und bereit war, seinen Sohn Ismael (vgl. Isaak) Allah zu opfern. Als Allah (Gott) seine Bereitschaft und sein Gottvertrauen sah, gebot er ihm Einhalt. Ibrahim und Ismail opferten daraufhin voller Dankbarkeit im Kreis von Freunden und Bedürftigen einen Widder. (Wikipedia)

Beim Opferfest wird traditionell oft auch ein Schlachtopfer dargebracht, wie Abraham es tat. Das mag verstören, aber auch dafür gibt es in Deutschland gesetzliche Regelungen:

Zu beachten ist auch, dass die beabsichtigte Schlachtung eines Opfertieres bei dem zuständigen Amtstierarzt zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung anzumelden ist. Eine Schlachtung ohne Betäubung (Schächten) ist nach der deutschen Rechtslage grundsätzlich verboten, jedoch kann eine Sondergenehmigung aus religiösen Gründen erteilt werden. (Wikipedia)

Man darf sich das auch nicht so vorstellen, dass in den Badewannen sämtlicher muslimischer Haushalte zum Opferfest Hammel ausbluten. Im Großen und Ganzen unterscheidet sich das – aus der Sicht eines Vegetariers – nicht von der Martins- oder Weihnachtsgans oder dem Silvesterkarpfen. Auch Gänse stammen bis heute teilweise aus kleinen Betrieben oder gar Hausschlachtungen beim Züchter selber.

Das, was beom Opferfest immer wieder zu Kritik führt, ist das „Schächten„. Schächten ist eine nach islamischem (und jüdischem) Religonsrecht vorgeschriebene Schlachtmethode. Klassisch war die Aufgabe dieser Vorschriften, Gesundheitsrisiken zu vermindern. Tiere dürfen bei der Schlachtung beispielsweise nicht krank oder verletzt sein.

Da der Verzehr von Blut verboten ist, müssen die Schlachttiere ausbluten (es bleibt am Ende faktisch immer Blut zurück, was zur Zeit der Religionsgründungen jedoch nicht bekannt war). Damit das gewährleistet ist, wird ein besonderer Schnitt vorgeschrieben, den ein ausgebildeter Schächter durchführt:

Auch der Schlachtprozess selbst ist festen Regeln unterworfen. Erste Voraussetzung ist, dass das Tier im Judentum koscher bzw. im Islam halãl ist. Mit einem einzigen Schnitt wird die Kehle durchschnitten, wobei beide Halsschlagadern, beide Halsvenen, die Luftröhre, die Speiseröhre sowie beide Vagus-Nerven durchtrennt werden müssen. Diese Technik führt bei korrekt ausgeführtem Halsschnitt den Tod in der Regel innerhalb von 10–15 Sekunden herbei, jedoch können Rinder noch bis zu 47 Sekunden lang Aufstehversuche unternehmen. (Wikipedia)

Im deutschen Recht ist ein ähnlicher Schnitt bei der Schlachtung zulässig: Der Aderschnitt, der die beiden Hauptschlagadern im Hals durchtrennt. Auch bei der deutschen Schlachtung werden die Schlachttiere ausgeblutet:

Nach einem sachgerechten Entblutungsschnitt schießt das Blut im Rhythmus des Herzschlages sofort mit hohem Druck und in dickem Strahl aus der Stichwunde. (Wikipedia)

Wer bis jetzt aufmerksam mitgelesen hat, der hat den Unterschied zwischen Schlachtung nach deutschem Recht und klassischem Schächten ahnen können: Schächten erfolgt historisch ohne Betäubung des Tieres, vor dem Schlachten ist in Deutschland eine Betäubung vorgesehen.

Die erfolgt in den Massenschlachthöfen durch einen Bolzenschuss, der eine Schädelverletzung hervorruft. Dadurch ist das Tier nicht mehr koscher bzw. halal. Allerdings gibt es seit dem 20. Jahrhundert auch eine Elektrokurzzeitbetäubung, bei der die Tiere durch einen Stromstoß betäubt werden. Lässt man sie danach in Ruhe, stehen sie nach ein paar Minuten wieder auf und sind unverletzt.

Zu dieser Methode sagt eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten): Sofern das Tier durch den Elektroschock nicht getötet wird, sondern dies erst durch den Schächtschnitt erfolgt, ist sein Fleisch halal.

Derzeit haben einige Supermarktketten Fleisch eingeführt, das nach islamischen Regeln halal ist. Dazu muss das Tier nicht nur unverletzt geschlachtet worden sein, sondern auch aus Betrieben stammen, in denen vor der Schlachtung ein Gebet gesprochen wird, die Ausrichtung des Tieres nach Mekka sichergestellt ist und es nicht mit Schweinefleisch oder anderen „unreinen“ Produkten in Kontakt kommt.

Also nichts für den Schlachthof am Stadtrand, sondern etwas, für das man einen Spezialbetrieb braucht.

Schon im Dezember berichtete die WELT davon, dass die Supermarktkette SPAR Österreich Halal-Fleisch nach Protesten wieder aus dem Programm genommen habe. Warum es zu Protesten kam, ist kaum logisch zu erklären:

Einziger Unterschied zu allen anderen Schlachtungen nach österreichischen Richtlinien war ein Gebet, das während der Schlachtung gesprochen wurde. (Website von SPAR Österreich, inzwischen gelöscht)

Hier können folglich eigentlich nur uninformierte Menschen protestiert haben – oder Menschen, die per se gegen das Angebot von islamfreundlichen Produkten sind. Also Menschen, die sich gegen die (angebliche) Islamisierung wehren.

Ähnliches passiert gerade mit den real-Märkten. Auch diese bieten Fleisch mit Halal-Siegel an, das nach deutschen Tierschutzrichtlinien erzeugt wurde.  Auch real schreibt:

Traditionell wurden Halal-Fleischprodukte durch betäubungsloses Schächten produziert. Die moderne industrielle Halalschlachtung ist nicht mehr vergleichbar mit der älteren Ritual-Schächtung. In Deutschland ist das Schlachten von warmblütigen Tieren nur erlaubt, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist. Wir verkaufen daher nur Fleisch von Tieren, die vor der Schlachtung betäubt worden sind. Dies haben wir uns von allen unseren Lieferanten bestätigen lassen. Unsere Fleischlieferanten sind nach IFS oder BRC und Halal – zertifiziert und werden somit regelmäßig von der jeweils zuständigen staatlichen Kontrollstelle kontrolliert, was auch die Einhaltung der geltenden Tierschutzrichtlinien beinhaltet. (Quelle: mimikama)

Das gleiche gilt für Kaufland, die Halal-Fleisch in ihr Sortiment aufgenommen haben, das sich von „normal“ geschlachtetem Fleisch durch die andere Betäubung und das Gebet unterscheidet. Das schreibt auch Kaufland auf der Facebook-Seite:

Wir haben von allen Lieferanten, die uns mit „halal“-gekennzeichneter Ware beliefern, aufgrund eurer zahlreichen Anfragen nochmals bestätigen lassen, dass die Schlachtung ausschließlich mit vorheriger Betäubung erfolgt.

Das gilt für alle Produkte die wir in unserem Sortiment führen – und das schon seit Jahren.

Hier zur Aufklärung für euch:
Bei der „halal“-konformen Schlachtung muss das Tier nach Mekka ausgerichtet und es müssen Koran-Verse zitiert werden. Dies ist der wesentliche Unterschied zur konventionellen Schlachtung.

Trotzdem kommt ein Shitstorm auf Facebook, der seinen Ursprung auf einer Website namens Schutzengel-Orga findet (die keine Rubrik „Tierschutz“ hat, dafür aber eine „Islam“) und bei einschlägigen rechtsextremen Seiten wir pi-news Multiplikatoren hat.

tl:dr: Bei den derzeitigen Shitstorms gegen Halal-Fleisch in Supermärkten geht es offenbar nicht um den Tierschutz, sondern um atiislamischen Rassismus. Wer dort mit hetzt ist bestenfalls uninformiert, vermutlich aber ein Rassist.

Offenlegung: Ich esse seit 1997 kein Fleisch und war viele Jahre in der Tierrechts-Szene aktiv. Ich verherrliche das Schächten nicht, sehe jedoch keinen moralischen Unterschied zwischen einer gesetzeskonformen Schlachtung nach Halal-Regeln und der „typischen“ in Deutschland durchgeführten Schlachtung.

Am liebsten wäre mir, wenn es überhaup keine Schlachthöfe gäbe. Bis dahin dahin ist es jedoch der falsche Weg, Schlachtungen aus sachfremden, rassistischen, sexistischen oder anderen Gründen zu kritisieren.

Kategorien: Allgemein